Baugeschwister
Wir treffen Benjamin, genannt Benni, und Selina auf ihrer gemeinsamen Baustelle in der St. Gebhardstraße. Benni arbeitet dort als Polier. Seine Schwester macht ihre Lehre – als eine von zwei weiblichen Maurerlehrlingen bei Rhomberg und eine von sogar nur 26 österreichweit. Ob das auch an ihrem Bruder liegt?
Es ist kalt – zumindest für einen „Büromenschen“. Selina und Benni dagegen sitzen beide kurzärmlig im Bauwagen. Auf die Frage, ob sie nicht frieren, lachen beide. „Sicher nicht, wir sind ja in Bewegung.“ In Bewegung ist bei dieser Baustelle allerdings so einiges: Der Zeitplan ist knapp, einige Mitarbeiter sind ausgefallen, spontan auftretende Probleme gilt es zu lösen. Polier Benjamin hat alles im Blick, „auch wenn es mal lauter wird, damit jeder weiß, was zu tun ist“, schmunzelt er.
Selina, hast du dich schon im Baustellenalltag eingelebt, wie gefällt es dir?
Ich wollte einen Beruf, bei dem ich viel draußen und in Bewegung bin. Den habe ich jetzt. In der Partie habe ich mir mittlerweile meinen Platz und auch Respekt erarbeitet. Das liegt sicherlich daran, dass ich mich jeder Herausforderung stelle, keine Arbeit scheue und kräftig mit anpacke. Ich schaffe es sogar, einen „Stipper“ zu tragen. Das typische Mädchen war ich noch nie. Bei drei großen Brüdern muss man sich durchsetzen. Deshalb finde ich mich wahrscheinlich auch in der „Männerdomäne" Bau gut zurecht.
Dein Bruder ist Polier, ist er dein Vorbild und hat er dich für den Beruf begeistert, oder wie kam das?
Klar ist er mein Vorbild. Er hat viel aus sich gemacht und es bis zum Polier gebracht. Das könnte ich mir auch vorstellen. Vorrangig möchte ich aber einen guten Lehrabschluss erreichen. Bei mir war das so, dass ich zu Hause immer schon handwerklich mitgearbeitet habe. Nach dem dritten Mal schnuppern auf dem Bau war mir klar: Das will ich machen. Dass Freunde und meine Mama mir davon abgeraten bzw. hinterfragt haben, ob es das Richtige für mich ist, hat mich noch mehr in meiner Berufswahl bestärkt. Es war eine Herzensentscheidung.
Benni: Wie ist es, als Bruder mit der Schwester zu arbeiten?
Erstmal: Jeder ist für mich gleich. Hauptsache, der Job passt. Und das tut er bei Selina. Klar, es macht mich stolz: Selina sieht die Arbeit und sie denkt mit. Wenn sie an einer Aufgabe dran ist, überlegt sie sich immer die nächsten Schritte. Und sie setzt gewissenhaft um, was man ihr anschafft. Zum Beispiel das Versorgen der Baugeräte am Abend. Die teuren Hiltis sehe ich morgens nicht gern auf der Baustelle herumliegen. Dafür kosten die einfach zu viel. Selina kümmert sich um genau diese Dinge.
Wie war dein Berufsweg? Gab es für dich auch ein Familienvorbild?
Ja. Mein Onkel und mein Götte sind beide Maurer. Sagen wir es mal so: Ich habe viel gelernt. Mir war schon in meiner Volksschulzeit klar, dass ich Maurer werde. Das steht bereits in vielen Freundschaftsbüchern als Berufswunsch drinnen (lacht). Die Polierschule war der nächste Schritt, um Baustellen komplett eigenverantwortlich abzuwickeln.
Bei euch spürt man deutlich die Leidenschaft fürs Bauen, was macht euch besonders stolz auf eure Arbeit?
Benni: Als ich das erste Mal Pläne mit nach Hause genommen habe, um mich vorzubereiten, staunte meine Freundin nicht schlecht, als sie sah, was ich alles organisiere und bewerkstellige. Auch meine Freunde haben meine Aufgabe als Polier erst so richtig begriffen, als ich eine Ländle-Tour zu meinen ehemaligen Baustellen mit ihnen gemacht habe. Das fertige Gebäude zu sehen und zu wissen, dass man dabei mitgewirkt hat und welche Herausforderungen gestemmt wurden – das macht stolz.
Selina: Ich finde jeden Tag so abwechslungsreich und spannend, dass ich meinen Freund täglich voller Begeisterung damit zutexte. Die lustigen Baustellengeschichten muss ich ihm einfach erzählen. Jetzt möchte er als Elektriker auf dem Bau arbeiten, um das alles selbst zu erleben (lacht). Und wenn ich eine Arbeit abgeschlossen habe, dann macht mich das Ergebnis stolz. Bald darf ich mit Maschinen arbeiten und Türschalungen selbstständig ausführen, darauf freue ich mich. Und natürlich aufs Mauern selbst.